Vor vielen
Jahren hörte ich eine Chanson, von Mireille Mathieu gesungen, die zu jener Zeit
sehr populär war. Im Liede bewunderte die Sängerin einen Alten, der noch en
pleine forme und aktiv war. Sie nannte ihn ihren abri, ihren Obdach in einer wirren,
zum Teil fürchterlichen Welt. In der Mitte des Lieds rappte ein mir unbekannter
franzözischer Schauspieler, der damals trotz seiner achtzig Jahren noch beshäftigt und helle war. Ich habe nach so vieler Zeit seine Worte nicht
vergessen: Je suis vieux, mais j’ai des projets.
Je suis vieux, mais j'ai des projets! Moi aussi!
Obwohl kaum l’abri von jemandem, bin ich schon längst alt
genug, das Gleiche zu behaupten. Der Schauspieler ist wohl schon seit langem tot. Vielleicht
werde ich auch unter der Erde sein, wenn Sie, Lieber Leser, meinen Blog in der
Zukunft finden. Also muss ich
behutsam vorgehen: eine Stimme vom Jenseits muss etwas zu sagen haben, anstatt wie ein
Frosch im Sumpf der Welt weiterzuquaken, um seine eigene Stimme zu
hören.
Es folgt ein Märchen, das man hoffentlich lesenswert finden wird.
Das Ichkahngleichnis
Ein junger Fischer findet sich auf seinem Ichkahn auf hohem See. Wer hat das Schifflein
gebaut? Woher kam er anbord? Warum sich mit unbeantwortbaren Fragen plagen?
Die Sonne
scheint, das Meer ist ruhig. Der Fischer schläft ein. Im tiefen Schlaf träumt
er seine ganze Welt auf. (Manchmal sehr schön war sie; zur anderen Zeiten
schrecklich. Noch schlimmer, nahm er sein Leben wie gegeben an; ewig würden
sein Glück und Unglück dauern, so traümte
er.)
Endlich
wacht er auf. Was ist mit ihm geschehen? Seine Haare, einst schwarz wie die
Nacht, sind jetzt weiss wie der Wintermond. Seine Haut ist dünn; seine Glieder
sind müde und alt. Keine Träume mehr; er ist allein auf einem
schattenlosen, öden Meer.
Mit
Schrecken bemerkt er dass das Schifflein zu sinken begonnen hat, wohl seit
langem. Kleine Pfützen liegen am Boden; die Bretter werden immer weniger
wasserdicht.
Nichts sind auf dem Ichkahn ausser er selbst und sieben Steine. Einige funkeln in
der Sonne wie Juwelen; anderen sind so schwarz wie die Nacht.
Er hebt
einen Stein auf und wirft ihn überbord. Du warst mein Neid, sagt er. Als er den
Stein loslässt, liegt der Kahn bedeutend höher am Meer.
Der Zufall
führt den Kahn durch Tage, durch Nächte, durch Tage; durch Stürme, durch
Unwetter, und durch heitere Tage auch.
Wenn er ab
und zu bemerkt, dass das Schiff mit Wasser füllt, hebt er einen anderen Stein
auf, und wirft ihn ins Meer. Du bist mein Gier, nsagt er zum zweiten Stein beim Wegwerfen.
So geht es
mit vier weiteren Steine: Hass, Wahn, Zorn und Depression. Jedesmal schwimmt
das Schifflein bedeutend besser im Meer.
So viel
Wasser ist unter dem Schifflein geflossen; aber noch kann der Fischer wähnen,
dass er sich nicht aus purem Wasser besteht; aber sein trockenes Leben war nur ein
Traum.
Kurz
nachdem er den letzten Stein, den er Hoffung nannte, wegwirft, sinkt auch das
Schifflein in die Tiefe. Wie bald, ach wie bald, schlagen die Wellen darüber!
Der Ichkahn
sank, zufrieden.
Nach langer
Zeit, schwimmt noch ein anderer Ichkahn herüber. Im tiefen Schlaf, ruft ein
schwarzhaariger Fischer seinen Gott bittend an.
Aus den Tiefen kommt nichts.
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